Donnerstag, 31. Dezember 2009

Familie versus Indiviualitaet

Das auf diesen Breitengraden die Familie weit ueber dem Individuum steht, stellt man immer wieder fest. Bei der Begruessung erkundigt man sich nicht nur nach dem Wohlergehen des Gegenuebers, sondern fragt auch nach dessen Familie. An Feiertagen und langen Wochenenden werden nicht individuelle Trips unternommen, sondern es werden Familienmitglieder besucht, die etwas weiter entfernt wohnen. Single-Haushalten bin ich hier noch nicht begegnet. Das ist hier noch nicht eingefuehrt worden. Und falls das mal jemand einfuehren wollte, wuerde er wahrscheinlich als verrueckt erklaert werden. Es ist eher die Regel, das Eltern, Kinder, Grosseltern und noch paar Onkel ein Haushalt teilen. Sudanesen haben vier Namen, in dem auch der Name des Vaters enthalten ist. Somit kann der Namenstraeger besser eingeordnet werden. Familie und Herkunft sind wichtig!


Um eine neue Familie gruenden zu koennen, muss erst mal der Partner gefunden werden. Ein Top Thema auch im Buero, ueber das immer wieder gescherzt und gefluestert wird. Aber offensichtlich muss man hier erst mal ueber ausreichend liquide Mittel verfuegen, um das Ganze in die Wege leiten zu koennen. Nicht nur der Brautpreis muss finanziert werden, sondern auch die dazugehoerende ueppige Feier, bei der kein Familienmitglied vergessen werden darf. Deswegen sind die ledigen Kollegen schwer am sparen. Eines Tages fragte mich ein Kollege ganz verwirrt, warum wir internationalen Medair Mitarbeiter nicht alle verheiratet sind, wo wir doch gute Positionen besetzen und ueber ausreichende Geldmittel verfuegen. Ich verriet ihm dann, dass Geld vermutlich (/vermeintlich?) nicht so eine grosse Voraussetzung fuer eine Heirat ist, wie bei Ihnen.


Er verriet mir dann, dass er mit seiner Cousine verlobt ist. Ich sagte ihm, dass so etwas bei „uns“ nicht ueblich ist. Er fragte warum? Ich wiess ihn auf die biologischen Risiken hin. Daraufhin sagte er mir, dass er keine andere Wahl hat, es sei denn er wuerde rebellieren. Wuerde er sich naemlich dazu entscheiden, ausserhalb der Familie zu heiraten, wuerde er eine viel geringere finanzielle Unterstuetzung erhalten. Und so kommt es dazu, dass Familien – zwar nicht immer freiwillig – eng miteinander verbunden sind und unter ihresgleichen bleiben. Nicht immer, aber meistens.


Eine Sache bei „uns“ hatte ihn aber arg verwundert. Unter den 10 internationalen Mitarbeitern gibt es ein Ehepaar, welches den gleichen Nachnamen traegt. Dies gab ihm den Anschein, dass die beiden Geschwister sind und miteinander geheiratet haben. Daraufhin erklaerte ich ihm die Systematik unserer Nachnamen, und das war gut so! Familien(zwang), Verwandschaft, Geld, Nachnamen. In dem kurzen amuesanten Gespraech konnten wir viel voneinander lernen.



25.12.2009 Trotz der Andersartigkeit hatten wir einmalige Weihnachten!


Die sicherheitsbedingten Baumassnahmen im Haus sind beendet. Aus diesem Anlass wurde ein Schaf geschlachtet.

Unser Waechter haben diese Aufgabe mit Leidenschaft uebernommen.


Ein paar Mitarbeiter und einige Handwerker wurden eingeladen und ...

... haben beim verputzen des Schafs kraeftig zugelangt!

Samstag, 10. Oktober 2009

Afrikanische Schule

Ich habe festgestellt, dass meine Schreibfreude nachgelassen hat. Das ist ganz klar ein Zeichen dafuer, dass nach einem halben Jahr in Darfur fuer mich der Alltag eingkehrt ist. All die Dinge, die vor kurzen noch so neu, exotisch und eine Erzaehlung wert waren sind normal. Das taegliche Chaos, die vielen Herausforderungen, das bunte Stadtbild, die staendige Praesenz von Waffen, das Leben hinter hohen Mauer – das ist mittlerweile auch fuer mich normal. Zugegeben bin ich manchmal sehr gefrustet, wenn Lieferanten unzuverlaessig sind, ordentlich Loesungen nicht verfuegbar sind und wieder ein Tag dem Ende zugeht, an dem man nur einen Bruchteil von dem erreicht hat, was man sich am friedlichen morgen optimistisch vorgestellt hat. Aber dann bin auch wieder total begeistert, wenn man sieht, dass es doch voran geht, hier und da Verbesserungen erreicht werden und sich trotz der vielen Arbeit mit den Kollegen eine Teepause und eine Runde small talk goennt.

Das Abendessen in grosser Runde mit den internationalen Kollegen ist nach jedem Arbeitstag etwas besonders entspannendes. Es werden Ereignisse vom Tag noch mal aufgetischt, oder Diskussionen ueber alles mogliche und unmoegliche gefuehrt. Von serioes bis banal. Und da die Kollegen von vier verschiedenen Kontinenten kommen, sind natuerlich weit gefaecherte Erfahrungen und Meinungen vorhanden, die die Diskussionen lebendig werden lassen. Ich weiss nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind, aber auf einmal unterhielten wie uns ueber das Alter, in dem Kinder in Afrika die Schule gehen, oder besser gesagt, in laendlichen Teilen Afrikas. Weil wir zwei Afrikaner in unserem internationalen Team haben, konnten persoenliche Geschichten eingebracht werden. Waehrend es bei uns eine recht einheitliche Handhabung gibt, ueblicherweise mit 6 Jahren, ist es in Afrika sehr stark von der koerperlichen Entwicklung und dem geographischen Erinnerungsvermoegen des Kindes abhaengig. Meistens muss der Schueler einweg ca. 8 KM laufen, um sein Klassenzimmer zu erreichen und verstaendlicherweise ist nicht jeder Sechsjaehrige dazu in der Lage. Ich finde das ganz schoen tapfer, aber gleichzeitig auch sehr amuesant. Jedenfalls war das einer von vielen unterhaltsamen Abenden.



Ein Junge in El Geneina auf dem Weg zur Schule. Vielleicht wird das der naechste Obama!?


Meine Kollegin und ich haben eine Excel-Schulung fuer die Kollegen durchgefuehrt


Abschiedparty fuer einen der internationalen Kollegen auf unserer charmanten Veranda


Home, sweet home. Manche bezeichnen es als eine Festung, ich nenne es lieber "unser Schloss".

Kurioses

Morgenstimmung in El Geneina (West-Darfur). Die Regensaison ist vorbei und der Strassenalltag somit sehr staubig

Alter

Es ist nicht die erste Frage die man beim kennenlernen neuer Leute stellt, irgendwann kommt sie aber doch auf, die Frage nach dem Alter. Als ich in meiner ersten Woche in Khartum mit einem der Fahrer unterwegs war, und mich mit ihm ueber Dies und Das unterhielt, packte ich schliesslich irgendwann mal diese Standardfrage aus. Er sagte, er sei 31. Da ich auch 31 bin, wollte ich wissen, in welchem Monat er geboren ist, was er mir allerdings nicht sagen konnte, da er es nicht wisse. Er wisse lediglich das Jahr, und das es ein Freitag war, weil das schliesslich auch sein Vorname ist (Juma). Spaeter, beim Blick in eine interne Mitarbeiterliste ist mir aufgefallen, dass viele Kollegen am 1. Januar des jeweiligen Jahres geboren sind. Was fuer ein “Zufall”!

Da fuehlte ich mich doch gleich an den afrikanischen Fussballers Anthony Yeboah erinnert, bei dessen Transfer von einem Bundesliga-Verein zu einem anderen grosse Uneinigkeit ueber eine passende Abloesesumme entstand, da keiner wusste wie alt er wirklich ist.


Scharia

Der Nord-Sudan ist ein islamisches Land in dem die Scharia – Gesetze aus dem Koran – die Grundlage der Gesetzgebung ist. Die klassischen oberflaechlichen Einzelheiten die man als Westler darueber weiss, ist z.B., dass es kein Alkohol gibt und dass der Konsum strafbar ist. Um so ueberraschter war ich, als ich eines Nachmittags beim verlassen des Bueros feststellen musste, das einer der Waechter eine auesserst aufdringliche Alkohol-Fahne hatte und offensichtlich betrunken war. Dies erforderte eine Reaktion meinerseits. Nach Ruecksprache mit der Personalabteilung wurden mir die auesserst komplizierten Prozesse, die ein solcher Fall mit sich bringt, kurz erklaert. Letztendlich mussten wir mit ihm erst zur Polizei, dann ins Krankenhaus und schliesslich wieder zur Polizei, wo er die Nacht verbringen musste. Somit war diese traurige Angelegenheit fuer uns erledigt. Meine Kollegen machten mich darauf aufmerksam dass fuer ihn die Prozeduren allerdings noch nicht vorbei waren. Entsprechend der Sharia erhielt er am naechsten Tag 30 Peitschenhiebe fuer sein Vergehen.


Haeusliche Pflichten

Dass andere Laender andere Sitten und ein anderes Rollenverstaendnis mit sich bringen ist altbekannt, aber die folgende Geschichte hat mich noch mal deutlich daran erinnert weit entfernt vom westlichen Kulturkreis zu sein. Eines Tages erschien ein Kollege im Buero der Personalabteilung mit der Bitte, seine Frau, die in einer der Kliniken ebenfalls fuer Medair arbeitet, zu feuern, weil sie ihren haushaltlichen Pflichten nicht nachkommt. Die Personalkollegin hat diese Anfrage verstaendlicherweise belaechelt und ihm hoefliche erlaert, dass dies sein privates Problem und kein Grund fuer eine Entlassung sei. Allerdings bestand er auf eine Reaktion seitens Medair, sodass ihm schliesslich ein Beamter des lokalen Arbeitsamts erklaeren musste, dass es seine Privatangelegenheit sei. Aber offensichtlch fand er seine Forderung als das Selbstverstaendlichste auf diesem Planeten.


Mittwoch, 2. September 2009

Das ist Afrika!

Wie in einem vorherigen Eintrag beschrieben, fuehle ich mich weniger als ein Manager sondern mehr als ein “Reagierer”. Der naechtliche bewaffnete Ueberfall Ende Juli erforderte eine Reaktion. Eine kritische Betrachtung unseres Gelaendes und der Gebaeude zeigte einige Schwachstellen auf. Also wurde viel Zeit und Geld in die erhoehte Sicherheit investiert. Eine grosse Aufgabe war es unter anderem, einen Teil der umgebenden Mauer abzutragen und anschliessend zu erhoehen. Bei einem Umfang von 140 Metern, 40 cm Dicke und 3 Meter Hoehe ist das keine Aufgabe von drei Stunden sondern von drei Wochen. Zwischenzeitlich waren knapp 30 Leute im Einsatz. Ich habe voruebergehend die Rolle eines Bauleiters eingenommen. Die Sicherheitsmassnahmen werden auch noch in den naechsten Monaten einen nicht unbedeutenden Teil meiner Zeit hier einnehmen. Ein Waechterturm, ein Audio Alarmstystem und eine Kamera-Ueberwachung muessen noch entworfen und installiert warden. Zur gleichen Zeit werden andere Aufgaben nach hinten geschoben, in der Hoffnung, dass nichts Wichtiges unerledigt bleibt.

Aufgrund der Baumassnahmen mussten wir unsere Unterkunft verlassen und sind im vergangenen Monat bei anderen NGO’s untergekommen. Erst Concern, dann Tearfund und schliesslich WFP. Dabei kamen diesmal wir uns vor wie Binnenfluechtlinge. Seit Ende letzter Woche sind wir wieder in unserem “Sweet Home” zu Hause. Allerdings nimmt unser “Sweet Home” mittlerweile mehr die Form einer Festung an.

Mein Einblick in das Land und den Kontinent ist lediglich nur ein sehr geringer. Deshalb lese ich regelmaessig Buecher um den Zusammenhang besser zur verstehen. An dieser Stelle moechte ich zwei Aussagen/Geschichten zitieren, die ich auesserst interessant finde.

“ES GIBT ZWEI GESCHICHTEN uber das Wesen des Kontinents. Afrikaner erzahlen sie sich gelegentlich gegenseitig. Manchmal werden sie etwas variiert und spielen an verschiedenen Orten. Die eine Geschichte geht so.

Es steht ein Skorpion am Ufer des Nils und wurde gerne auf die andere Seite des Flusses gelangen. Er uberlegt und uberlegt, was er tun kann, und kommt nicht recht voran. Er kann nicht schwimmen, und das Wasser ist tief.Was soll er bloss machen? Da erscheint zum Glueck ein Krokodil. Komm her, Krokodil!, ruft der kleine Skorpion, und bring mich auf die andere Seite des Flusses, ich habe da etwas zu erledigen. Doch daruber kann das Krokodil nur lachen: Dich uber den Nil bringen? Ich bin doch nicht lebensmuede, frag das nachste Nilpferd, das vorbeikommt.

Ach, zier dich nicht. Hier kommt so schnell kein Nilpferd vorbei, und ich hab’ es eilig. Und auserdem:Was soll denn schon passieren? Was passieren soll? Du stichst mich, und wir saufen beide ab. Ich kenne Typen wie dich. Sei nicht albern. Warum sollte ich dich denn stechen? fragt da der Skorpion. Ich waere doch verruckt: Wenn du untergehen wurdest, ginge ich doch mit dir unter. Naja, denkt da das Krokodil, wo er recht hat, hat er recht, und kommt naeher. Na gut, spring auf, ich bring dich ruber. Und schon schwimmen die beiden los. Das Krokodil und auf seinem schuppigen Ruecken der Skorpion. Die beiden haben es gerade bis zur Mitte des Flusses geschafft. Da sticht der Skorpion zu. Sein Gift breitet sich im Korper des Krokodils aus. Es zuckt und rochelt und hat weissen Schaum vor dem Mund.
Du Idiot, ruft jetzt das Krokodil in seinem Todeskampf, jetzt gehen wir hier beide vor die Hunde.Warum tust du das?
Tja, sagt da der Skorpion, das ist Afrika.”
Quelle: Thilo Thielke, Krieg im Lande des Mahdi – Darfur und der Zerfall des Sudan, S.129 Komplettes Buch als PDF

Der Satz ”das ist Afrika” faellt uebrigens auch regelmaessig im Film “Blood Diamonds”.

“Nirgendwo werden die Wunden so tief geschlagen wie in Afrika, nirgendwo verheilen sie so schnell. Die Afrikaner, sagt der Historiker Ali Mazrui, haben ein .”
Quelle: Bartholomaeus Grill, Ach Afrika – Berichte aus dem Inneren eines Kontinents, S.405

Mittwoch, 5. August 2009

Regensaison

Am liebsten wuerde ich es gar nicht viel darueber berichten, aber der Vollstaendigkeit halber will ich ein paar Zeilen darueber loswerden. In der Nacht auf den 19. Juli hatten wir zwei ungelade bewaffnete Gaeste die sich trotz Mauer, Stacheldraht und Guards Zugang zu unserem Gelaende verschafft haben. Ich hatte ungluecklicherweise die Tuer zu meinem Zimmer nicht verschlossen und durfte unter vorgehaltenem Maschinengewehr ein paar Wertsachen abdruecken. Dass der Kollege im Zimmer gegenueber seine Tuere verschlossen hatte fanden die Jungs nicht gut. Nachdem sie es mit druecken und treten nicht geschafft haben die Tuere zu oeffnen, feuerten sie drei Schuesse auf die Tuer. Auch das hat nicht geholfen und die beiden haben sich schliesslich verdrueckt. Leider hat der Kollege von dem Blechsplittern der Tuer und dem freigesetzten Zement einige Wunden davongetragen, die aber nicht schwerwiegend waren.

Eine dramatische Nacht mit einem – Gott sei Dank – glimpflichen Ausgang. Am naechsten Tag haben wir das Buero nicht geoffnet und ca. 200 Gaeste - vor allem Mitarbeiter aber auch Nachbarn, Behoerden und andere NGO’s - empfangen die ihr Mitleid ausgesprochen haben. Einen Tage spaeter sassen alle (8) Expatriots - einer Standarprozedur entsprechend - im Flieger nach Khartum. In vielen Gespraechen, Gebeten und Besprechungen wurde der Vorfall verarbeitet und Risiken sowie Massnahmen diskutiert. Erholung hatte in den Tagen auch einen bedeutenden Anteil. Nach und nach sind wir alle wieder nach West-Darfur geflogen worden wo wir wieder unserem Arbeitsalltag nachgehen.

Die beiden Links fuehren zu einem Zeitungsbericht und einer Presseerklaerung von Medair anlaesslich des Vorfalls:

Schweizer Zeitungsbericht

Medair Presseerklaerung


Wadis fuellen sich mit Wasser und entlang der Ufer spriesst das Gruen. El Geneina in der Regensaison.


In einem Blogeintrag vor zwei Monaten habe ich beschrieben wie leblos und oede die Landschaft aus dem Flugzeug betrachtet auf mich gewirkt hat. Jetzt wo wir uns seit einem Monat in der Regensaison befinden, sieht alles ganz anders aus. Jemand der jetzt zum ersten Mal hierher kaeme wuerde es zwar immer noch als Wueste bezeichnen, aber im Gegensatz zur Trockensaison leben wir gerade in einer Oase. Auf den staubigen sandigen Strassen in El Geneina waechst auf einmal Grass am Strassenrand sodass die vielen Esel, Rinder, Pferde und Ziegen im Verkehr eine Rast einlegen und sich den ein oder anderen Grashalm goennen. Gleichzeitig verwandeln sich die Strassen aber auch in einen Sumpf. Wo es kein ordentliches Abwassersystem gibt entstehen jede Menge Pfuetzen bzw. muesste ich fast von Teichen reden. Vor allem wenn man waehrend dem Regen unterwegs ist muessen Umwege in Kauf genommen werden weil der direkte Weg versunken ist oder ein Wadi die Strasse kreuzt. Innerhalb von Minuten kann sich ein Wadi in einen reissenden Fluss verwandeln. Die kleinen Wadis muenden schliesslich alle im grossen Wadi der sich durch El Geneina zieht. Wer die Stadt Richtung Norden verlaesst muss einen Wadi durchqueren der waehrend und wenige Stunden nach dem Regen Wasser fuehrt. Aber auch noch Tage spaeter bleiben Autos sowie LKW darin stecken und koennen nur mit grosser Muehe befreit werden.

Ein guter Nebeneffekt des Regens ist, dass der Muell von den Strassen und Flussbetten weggespuelt wird. Allerdings wird er nur weggespuelt, nicht beseitigt, und landet dann schliesslich irgendwo in einem See oder im Ozean. Hier beschwert sich keiner ueber den Regen. Ganz im Gegenteil. Um so mehr Regen desto mehr laecheln die Leute und desto mehr reden sie ueber das Wetter. Verkehrte Welt! Ich glaube die Bewohner von London sehen das anders.

Ein weiterer guter Nebeneffekt der mit der Regensaison einhergeht sind die kuehleren Temperaturen. Es ist sogar vorgekommen dass das Thermometer nachts auf unter 20 Grad Celsius gefallen ist, sodass man sich schon mal mit einem Laken zudeckt und die neue Qualitaet an Schlaf geniesst. In der Trockensaison kommt es oft vor dass man aufgrund der Hitze nachts schweissgebadet aufwacht.

Leider bringt der Regen sehr viele Fliegen und Moskitos mit sich, die aeusserst nervig sind und Malaria verbreiten. Die vielen Pfuetzen sind eine klassische Brutstaette fuer die Insekten.

Arbeitstechnisch nehmen Sicherheitsmassnahmen in unserem Gelaende einen Grossteil meiner Zeit ein. Nach einem Vorfall wie wir ihn gerade erlebt haben wird viel analysiert und viele Luecken entdeckt. Resultat: hoehere Mauern, mehr Stacheldraht, mehr und sicherere Tueren, Installation eines akustischen Alarmsystems. Weil waehrend den Baumassnahmen unser Gelaende nicht sicher genug ist, kommen wir gerade bei einer anderen Hilfsorganisation unter.

Der Innenhof des Buerogelaendes verwandelt sich schon mal innerhalb von Minuten in eine Riesenpfuetze.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Teamlife & Alltag

Die internationalen Mitarbeiter sind ein bunter Haufen die von den entlegensten Ecken dieses Planeten kommen. Aus Kanada, Australien, den USA, Uganda, England, Kenia und der Schweiz. Lediglich die Katze ist einheimisch und eine geniale Unterhaltung.

Der offizielle Alltag beginnt morgens spaetestens um 07:45 Uhr. Dann sitzen die durchschnittlich zehn internationalen Kollegen auf der Varanda und halten sich meistens an einer Tasse Kaffee oder einer Schuessel mit Conflakes fest. Einem Dienstplan entsprechend ist jemand von uns fuer einen geistlichen Input zustaendig. Dabei lassen wir uns von Passagen oder Personen aus der Bibel inspirieren, singen Lieder, beten und richten uns gemeinsam auf Gott und die anstehenden Aufgaben aus.

Um ca. 08:15 Uhr springen wir in die Fahreuge und fahren zum Buero-Gelaende, welches ca. einen Kilometer entfernt ist. Klar, den Kilometer kann man laufen, aber aus Sicherheitsgruenden muessen wir immer ausreichende Fahreuge in unmittelbarer Naehe haben. Offiziell ist um 17 Uhr Feierabend aber normalerweise schaffe ich es nicht vor 18 Uhr den Arbeitsplatz zu verlassen.


Ein eingeschraenkter Bewegungsradius, wenig Freizeitmoeglichkeiten und die interne Ausgangssperre ab 20 Uhr fuehren dazu dass man ueberwiegend seine Zeit nicht ausschliesslich aber ueberwiegend entweder im Buero oder auf dem Gelaende der Unterkunft verbringt. Spaetestens um 19:30 sind die internationalen Kollegen auf der Varanda versammelt weil die Glocke zum Abendessen geschellt hat. Und das Abendessen ist eine gemuetliche und sehr leckere Angelegenheit. Der Dienstplan sorgt dafuer das abwechselnd jemand fuer das Abendessen zustaendig ist. Und die meisten Kollegen koennen sehr gut kochen. Diejenigen, die sehr gut kochen koennen, werden oefter eingeteilt und die anderen weniger. Ich gehoere zu den anderen, weil es bei mir immer nur Spaghetti gibt. Aber dafuer geniesse ich um so mehr das Essen das die Kollegen zubereiten und bin auch gerne im Spueldienst eingeteilt, der einmal in der Woche faellig ist weil die Hausangestellten freitags nicht arbeiten.


Die dritte rotierende Dienstpflicht nenne ich mal „Aufseher“. Der Aufseher ist die zentrale Kontaktperson fuer den Tag. Saemtliche Bewegungen werden dieser Person vorwiegend per Funk gemeldet, also wenn ich das Gelaende verlasse und wenn ich am geplanten Ziel angekommen bin. Nach dem Abendessen werden aber alle Dienste vergessen. Man haengt noch mit anderen auf der Varanda rum oder verzieht sich in sein Zimmer um etwas zu lesen oder einen Film per DVD zu schauen. Dienstagabends ist Team-Night. Schon wieder abwechselnd ist jemand dafuer zustaendig. Meistens steht dann ein Spiel an, von klassischen Brettspielen bis hin zu kreativen Aktivitaeten. Ein Abend endete in einer dramatischen Wasserschlacht.

Donnerstagabends beginnt unser Wochenende. Und donnerstags ist immer Filmabend. Auf der Varanda wird dann die Leinwand runtergerollt und der Beamer platziert.Nach einem ausgekluegelten demokratischen Wahlsystem werden drei Filme nominiert und gewaehlt. Wie so oft bei Wahlen in Afrika geht das nicht ganz friedlich zu. Es werden Allianzen gebildet, Luecken gesucht und nachher Beschuldigungen ausgesprochen. Nach der Wahl sind die einen dann enthusiastisch und die anderen enttaeuscht, aber die Entscheidung ist durch die Wahl legitimisiert worden und so kommt es dazu dass Streifen wie „Shakespeare in Love“ oder „Ben Hur“ ueber die Leinwand laufen.


Freitags findet fast regelmaessig bei irgendeiner der Hilfsorganisationen eine Party statt. Ueberwiegend sind es Verabschiedungsfeten. Es gibt einen hohen Personaldurchlauf. Die meisten halten sich nach meiner Einschaetzung durchschnittlich ein Jahr lang auf. Aber es gibt auch einzelne „einfach-so-partys“ oder die der Amis die auch hier ihren ihren 4. Juli nicht vergessen und diesen als Anlass fuer ein Miteinander nehmen. Innerhalb der Hilfsorganisations-Community kennt man sich. Die wenigen weissen Gesichter fallen auf. In verschiedenen Meetings laeuft man sich ueber den Weg.

Samstags erscheinen die nationalen Kollegen nicht zur Arbeit aber die internationalen Kollegen koennen es nicht lassen ins Buero zu gehen und Liegengebliebenes zu erledigen. Und am Sonntag geht es dann wieder mit Vollgas in die Woche, gespannt darauf, welchen neuen Herausforderungen man sich stellen muss. Der Anteil der Routineaufgaben ist aeusserst gering.

Sonntagabends haben wir einen internen Gottesdienst auf der Varanda. Etwas anders, open air. Keine Kirche, keine Orgel und keine Kanzel. Aber eine MP3-Predigt der wir gemeinsam lauschen.


Es ist ein super team, kunterbunt, kompetente Leute mit denen man gerne die Zeit verbringt und die vielen Aufgaben erledigt und dadurch auch leicht die vielen Beschraenkungen vergisst und locker wegsteckt. Bei der Illustrierung der positiven Seiten will ich aber nicht unerwaehnt lassen dass das permanente Miteinander aber auch streckenweise anstrengend sein kann wenn man sich nicht aus dem Weg gehen kann.



Dienstag, 23. Juni 2009

Rest & Recreation

Spaetestens alle zwei Monate werden die internationalen Mitarbeiter anlaesslich eines "Zwangsurlaubs" aus Darfur rausgeflogen, was sich RnR nennt, Rest & Recreation. Mit dieser Regelung soll vorgebeugt werden, dass Mitarbeiter ausgebrannt werden. Anlaesslich Unsicherheiten mit meinen Reisegenehmigungen fuer Darfur, musste ich meine RnR bereits nach fuenf Wochen nehmen. Jetzt habe ich eine Woche Urlaub in Khartoum hinter mir.

Ein kanadischer Kollege aus Darfur hatte seine RnR gleichzeitig genommen, und wir hatten uns dazu entschieden einen Campingtrip noerdlich von Khartum zu unternehmen. Lediglich 300 KM von Khartum entfernt gibt es jede Menge Pyramiden und historische Tempel. Ausserdem gibt es eine schoene Stelle am Nil, genannt 6. Katerakt.

Also haben wir einen Landcruiser mit Proviant und Ausruestung fuer drei Tage bestueckt inkl. Satellitentelefon und GPS. Sicherheit wird bei Medair gross geschrieben.

Am Morgen unserer Abreise wurden wir von einem Habub (Sandsturm) begruesst. Das ist auch der Grund dafuer, dass die meisten Bilder so aussehen, als sei eine Staubschicht auf der Linse. Bevor wir die Stadt verliessen, haben wir einen grossen Viehmarkt am Stadtrand von Omdurman (West Khartum) besucht.



Kamelfleisch steht hier auf der Speisekarte weit oben und somit werden fuer ein Kamel schon mal 700 Euro bezahlt. Weil wir aber vorher schon genug Proviant eingekauft hatten, konnten wir auf ein Kamel verzichten. Nach dem verlassen der Stadt waren wir ueberrascht ueber die gute Qualitaet der Strasse. Diese wurde im Jahre 2001 von einer Firma gebaut, deren Chef seinerzeit Osama bin Laden war.


Entlang der Strasse gibt es nicht wirklich viel zu beobachten, Sand, Straeucher, Steine, gelegentlich Felsen, Doerfer und immer wieder Leute am Strassenrand die entweder auf den Bus oder eine sonstige Mitfahrmoegichkeit warten. Dass Oel eine grosse Rolle in diesem Land spielt konnte man an den vielen Tanklastwagen auf der Strasse erkennen. Regelmaessig passierten wir Checkpoints, und nach ca. 150 KM mussten wir an einem groesseren Checkpoint unsere Papiere vorzeigen. Allerdings wurden wir vom Sicherheitsbeamten darauf hingewiesen, dass uns eine Genehmigung fuer die Weiterreise fehle. Viele Kollegen hatten vor uns problemlos diesen Trip gemacht und auf einmal war eine Genehmigung vonnoeten. Wir diskutierten, erfolglos. Wir riefen die Kollegen in Khartum an. Schliesslich hatten wir eine sudanesische Kollegin am Telefon, die Ihr Bestes versuchte um den Sicherheitsbeamten dazu zu bewegen uns weiterreisen zu lassen. Aber er blieb hartnaeckig und sagte staendig "back to Khartoum". Was blieb uns anderes uebrig als zurueckzukehren. Also konnten wir zwangslaeufig die Pyramiden und die historischen abschreiben. Allerdings konnten wir noch den 6. Katerakt aufsuchen.

Den 6. Katerakt zu finden ist ein wenig tricky. Ein sudanesischer Kollege in Khartum hat uns den Weg dorthin beschrieben. In etwa die Kilometerzahl und in etwa die Landschaft, an der wir die Strasse verlassen sollen und ca. fuenf Kilometer off-road Richtung Westen fahren. Als wir dann aber bereits acht Kilometer off-road unterwegs waren und vom Nil keine Spur war, wurden wir etwas unsicher. Irgendwie hatten wir unseren Weg dann doch noch gefunden, allerdings waren das keine fuenf sondern zwoelf Kilometer zwischen Strasse und Nil.


Am 6. Katerakt ist der Nil von Bergen umgeben und trennt sich dort fuer wenige Kilometer. Wir widerstanden den vielen vermeintlichen Campingplaetzen die sich sogar Hotel nannten und fanden einen schonen Spot ganz fuer uns alleine.
Das Foto oben wurde am zweiten Tag geschossen an dem wir freudig feststellten, dass sich der Habub verabschiedet hat. Dafuer mussten wir mit neuen Bedingungen Vorlieb nehmen. Waehrend wir gemuetlich unser Fruehstueck zubereiteten, hatten wir regelmaessig Zuschauer und Besucher. Zwei Jungs waren unsere Stammgaeste und des weiteren schauten regelmaessig Fischer und Bootsleute bei uns vorbei um uns Fisch oder Bootsfahrten anzubieten. Weil reichlich Proviant hatten (wir hatten ja fuer drei Tage geplant) konnten wir sogar grosszuegige Gastgeber sein. Es war sehr idyllisch zu beobachten, wie Hirten in weissen Dschellabahs (orientalisches Gewand) morgens ihre Ziegen zum Nil fuehren um sie zu traenken.

Aber nach 10 Uhr ist es nicht mehr angenehm sich in der freien Luft zu aufzuhalten, weil es einfach zu heiss ist und saemtliche Abenteuerlust von den Temperaturen erdrueckt wird. Also setzten wir uns in den Landcruiser, schalteten die Klimaanalage an und machten uns auf den Rueckweg. Allerdings mussten wir noch kleinere Hindernisse ueberwinden. Als wir wieder die sogenannten Hotels passierten, sollte uns ein kleiner Steinhaufen zum Stopp zwingen. Ein aelterer aufgebrachter Mann wollte und auf arabisch etwas erklaeren. Hoechstwahrscheinlich dass wir ihm wegen des wilden Campings Geld bezahlen sollen. Wir sind dann einfach weitergefahren. 300 Meter weiter das gleiche noch mal, mit einem groesseren Steinhaufen und Aesten. Dank Toyotas Landcruiser konnten wir aber ohne Stopp weiterfahren. Wo kaemen wir denn hin wenn jeder Dahergelaufene sich autorisiert dafuer fuehlt uns Campinggebuehren in Rechnung zu stellen. Das hatten schon vorher die Bootsleute versucht. Auf halber Strecke zurueck zur geteerten Strasse mussten wir am Rande eines Dorfes an einem kuermmerlichen Schlagbaum halten. Kaum sind wir zum stehen gekommen, standen vier Kinder auf der Seitenrehling unseres Fahrzeugs und steckten ihre Nasen ins Fenster um nach Geld oder irgendetwas zu betteln. Aber kurze Zeit spaeter oeffneten sie den Schlagbaum und somit hatten wir unser letztes Hinderniss ueberwunden.

Zurueck in Khartum stand fuer die restlichen Tage faulenzen an. Ausschlafen, mal wieder ausgiebig Zeit im Internet verbringen und die ein oder anderen Koestlichkeiten geniessen die in Darfur nicht erhaeltlich sind. Morgen gehts wieder zurueck nach El Geneina (West Darfur).



Dienstag, 9. Juni 2009

Humanitaere Hilfe und Logistik

Morgenstimmung in El Geneina (West Darfur)

“Und was genau ist Deine Aufgabe dort?” Die Antwort auf diese Frage ist zu Hause immer recht vage ausgefallen, da ich es selber nicht ganz genau wusste. Eine Arbeitsplatzbeschreibung gibt schliesslich keinen ganzheitlichen Eindruck von dem was einen erwartet. Es bleibt immer noch ein Restrisiko. Aber nach fuenf Wochen bin ich schlauer. Es ist manchmal sehr herausfordernd, es ist manchmal chaotisch, aber es macht auch Spass (wenn man das angesichts einer humanitaeren Katastrophe sagen darf)!


Ich versuche mal etwas weiter auszuholen, es aber gleichzeitig sehr einfach zu erklaeren. Aufgrund von eigenen Untersuchungen oder fremden Quellen entwerfen Hilforganisationen einen detaillierten Plan fuer Hilfsmassnahmen in Katastrophengebieten. Dieser Plan enthaelt konkrete Ziele, ein Budget und ist zeitlich beschraenkt. Die klassischen Eigenschaften eines Projektes. Weil die Ziele aber ohne finanzielle Mittel nicht realisiert werden koennen wird institutionelle Spendern die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Hilfsmassnahmen vorgestellt (z.B. der EU, der UN, einzelnen Regierungen oder anderen NGOs). Hier in Darfur hat Medair es sich zur Aufgabe gemacht zum einen in den Bereichen Wasser, Sanitaer und Hygiene und zum anderen im Bereich Gesundheitsversorgung zu helfen.


Der erste Bereich wird von einem kanadischen Ingenieur geleitet. Er muss dafuer sorgen, dass die Ziele erreicht werden, wie z.B. eine bestimmte Anzahl von Brunnen bzw. Wassertuerme in bestimmten Binnenfluechtlingslagern bereitzustellen oder Hygieneschulungen mit einer bestimmten Anzahl von Binnenfluechtlingen durchzufuehren. Eine amerikanische Kollegin deren akademischer Hintergrund das oeffentliche Gesundheitswesen ist, leitet den Bereich Gesundheitsversorgung. Die Ziele in ihrem Bereich sehen unter anderem die Unterstuetzung von Kliniken in Form von Schulungen und Versorgung mit Ausruestung und Medizin vor, was mit einer Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium vor Ort einhergeht.


Und jetzt kommt die Logistik und meine Wenigkeit ins Spiel. Die Abteilung Logistik und die Abteilung Administration & Finanzen sollen die anderen Bereiche bei Ihrer Zielerfuellung unterstuetzen. Wenn der kanadische Kollege z.B. 100 Sack Zement, 30 Meter Rohrleitungen und einen Strom-Generator an einem bestimmten Tag und Ort benoetigt, dann sorgen wir dafuer, dass die Materialien besorgt und dorthin transportiert werden. Wenn seine Leute irgendwo eine Hygieneschulung durchfuehren, buchen wir die Tickets fuer den Helkopter Flug und bringen sie rechtzeitig zum Flughafen. Fuer den Bereich Gesundheitswesen transportieren wir vor allem Medizin, aber auch die ein oder anderen medizinischen Geraete, die oft von UNICEF oder der Weltgesundheitsorganisation zur Verfuegung gestellt werden. In diesen Faellen sind wir stark direkt an der Zielerfuellung beteiligt.


Es gibt aber auch noch sehr viele indirekte Aufgaben. Der Fuhrpark (z.Zt. zehn Fahrzeuge) sowie mehrere Grundstuecke und Gebaeude (Buero, Unterkunft, Lager, Werkstatt) muessen verwaltet, instandgehalten und bewacht werden. Weil eine sichere Strom- und Wasserversorgung nicht gewaehrleistet ist, muessen die Generatoren mit Sprit und und unsere Wassertanks mit Wasser versorgt werden. Neben meinen drei Logistikern sorgen zehn Fahrer, zwei Mechaniker und ca. 20 Guards dafuer, dass es an nichts fehlt.


Nach zehn Tagen Ueberschneidung mit meinem Vorgaenger hat dieser sich in den Urlaub verabschiedet. In den letzten zwei Wochen hatte ich versucht, all diese Aufgaben zu managen. In dieser Zeit fuehlte ich mich mehr an einen Feuerwehrmann und weniger an einen Logistik-Manager erinnert. Nicht ich kontrollierte die Vorgaenge, sondern die Vorgaenge kontrollierten mich. Auf einmal faellt das Licht im Lager der Pharmazie aus und es muss schnellstens ein Elektriker engagiert werden. Dann bricht die Internetverbindung zusammen und ich haenge stundenlang mit dem Kollegen aus Khartum am Telefon um Hilfe zu bekommen. Auf einmal faellt ein Fahrzeug aus und es muessen unerwartet Teile besorgt werden. Aufgrund eines Ueberfalls auf einen Heli fallen Fluege aus und wir muessen einige Buchungen ueberdenken. Der Generator im Teamhaus gibt den Geist auf und wir muessen einen Mechaniker finden der ihn schnellstmoeglich repariert, da die Restenergie in der Batterie bald verbraucht ist und daraufhin die Lebensmittel im Kuehlschrank verderben.


Na ja, das ist gluecklicherweise nicht alles auf einmal passiert aber es haelt einen ganz schoen am Laufen und der Feierabend um 17 Uhr ist nur selten zu schaffen. In der arabischen Welt faengt die Woche am Sonntag an. Dafuer haben wir auch schon am Freitag frei. Samstags vormittags haben wir eine interne Besprechung innerhalb der internationalen Mitarbeiter. Nachmittags gehts dann meistens noch mal ins Buero um Liegengebliebenes zu erledigen. Samstags bin ich aber spaetestens um 17:30 Uhr auf dem Mitarbeitergelaende der Welthungerhilfe. Dort gibt es naemlich einen Swimming-Pool und ein Beachvolleyball-Platz. Angesichts der internationalen Leute, der exotischen Temperaturen, der entspannten Stimmung und der Bob Marley Musik, die aus einer Huette schepperte, kam ich mir dort beim ersten Mal fuer eine Moment vor wie in einem Backpacker-Hostel.



Die Kollegen warten auf den Heli, um wieder nach El Geneina zurueckgeflogen zu werden, nachdem sie sich in Foro Baranga ein Bild von der medizinischen Versorgung gemacht haben. Bei diesem Trip war ich ausnahmsweise dabei, um zwei Grundstuecke zu inspizieren die als Basis dienen koennten.


Logistik extrem!


Donnerstag, 21. Mai 2009

Welcome in wild west Darfur

Am Tag der Reise nach Darfur ist mir noch mal aufgefallen, wie zurueckhaltend die Sudanesen sind. Am Flughafen angekommen, hat lediglich eine Person hoeflich angeboten die Koffer zu tragen und auch gleich meine Ablehnung akzeptiert. Auch beim Check-Inn und im klimatisierten Wartebereich ging alles gelassen und geordnet vonstatten. Das Bodenpersonal war so hoeflich nichts gegen mein Gepaeck-Gewicht von 19kg einzuwenden, obwohl nur 15kg erlaubt waren. Die Fluege werden von UNHAS durchgefuehrt, welche von WFP gesteuert werden und somit humanitaere Hilfsmassnahmen ermoeglichen bzw. zumindest enorm erleichtern. In den Tagen vorher sind aufgrund eines Habubs (Sandsturm) einige Fluege ausgefallen. Ich war sehr ueberrascht, am Abend im Teamhaus zwei Kollegen wieder anzutreffen, die ich am Morgen verabschiedet und die in zwei voellig verschiedene Richtungen geflogen sind. Beide sind abgehoben und durch die Gegend geflogen, kehrten gegen Abend aber zurueck weil sie am Zielflughafen nicht landen konnten. Soviel zum Thema Planungssicherheit.

Aber bei mir sah alles gut aus. Dem Reiseantrag wurde stattgegeben und das Flugzeug hob mit ca. 20 Passagieren puenktlich ab. Nach ca. fuenf Tagen gab es erstmals wieder einen blauen und fast staubfreien Himmel. Somit konnte ich einen sehr guten Blick aus dem Flugzeugfenster geniessen. Wenn man in Khartum abhebt, sieht man aus allen Fenstern den Nil, da hier der blaue und der weisse Nil zusammentreffen. Aber jenseits von Nil und Stadt praesentiert sich eine fast durchgaengig eintoenige Wuestenlandschaft, die lediglich von Huegeln und Wadis unterbrochen wird, welche sich wie Narben ueber das Land ziehen. Aus dieser Sicht war es nur schwer vorstellbar, dass dort unten Menschen ueberleben, geschweige denn wohnen koennen. Nach ca. zwei Stunden Flug die erste Zwischenlandung in Nyala (Sueddarfur), danach in El Fasher (Norddarfur) und schliesslich am Ziel auf einer Schotterpiste in El Geneina (Westdarfur). An allen drei Flughaefen fiel direkt die hohe Praesenz von UN-Hubschraubern auf.

Noch auf dem Rollfeld wurde ich von vier Kollegen und wieder Temperaturen von ca. 40 Grad Celsius willkommen geheissen. Willkommen in Wild West Darfur. Auf meine Frage warum es um diesen Flughafen keinen Zaun gibt antworteten die Kollegen, dass es nicht noetig sei weil sich genuegend Militaer unmittelbar um den Flughafen herum befindet. Auf der Fahrt zum Medair-Buerogelaende sticht einem eine hohe Praesenz von Gewehren ins Auge, die entweder ueber der Schulter haengen oder auf der Ladeflaeche von Jeebs montiert sind.

Weil die Sicherheit vor geht habe ich sofort ein Briefing zum Thema Sicherheit vom Projektverantwortlichen bekommen. Beim Bericht zu den juengsten Vorfaellen ist mir erst richtig bewusst geworden, wo ich wirklich gelandet bin. Dementsprechend hoch sind auch die aktuellen Sicherheitsvorkehrungen: Nie alleine zu Fuss unterwegs sein, nie ohne Funkgeraet, persoenliche Bewegungen abmelden und Ankunft bestaetigen und schliesslich Ausgangsperre ab 20 Uhr. Ca. 20% der Mitarbeiter sind Guards und der Grossteil des Alltags spielt sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht ab. Bei einem kurzen Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen (Logistik, Finanzen & Admin, Gesundheit & Hygiene, Wasser & Sanitaer, Kueche), habe ich ca. 50 Haende geschuettelt und gar nicht erst versucht, mir die Namen zu merken weil ich immer noch dabei bin mir die Gesichter zu merken.

Sicherheit geht vor. Der Grossteil des Alltags spielt sich hinter hohen Mauern ab.



Die Kantine und die Tischmanieren sind hier etwas anders! Aber das Essen ist lecker!


Die Kollegen aus der Abteilung Gesundheit werden fuer einen Einsatz im Binnenfluechtlingslager geschult.


Donnerstag, 7. Mai 2009

Welcome in Sudan

Ich geniesse einen sehr entspannten Start in den neuen Lebensabschnitt. Kulturschock, Stress und Ueberforderung sind bisher ausgeblieben. Der Flug ging schnell vorbei und auch der Pick-Up vom Flughafen hat direkt geklappt. Die Fahrt vom Flughafen zur Medair-Basis hat lediglich 10 Minuten gedauert, weil sich sowohl der Flughafen als auch Medair im Zentrum von Khartum befinden. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug habe ich den Backofen-Effekt erlebt. Ich hatte das Gefuehl, dass sich in unmittelbarer Naehe ein aufgehitzter Backofen befindet und gerade jemand die Klappe geoeffnet hat. Nicht weniger als 40 Grad Celsius haben mich trotz spaeter Stunde im Sudan willkommen geheissen.
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Im Medair-Haus angekommen, hatte ich das Gefuehl, dass die Temperaturen dort noch mal mindestens 5 Grad Celsius mehr betragen. Aber dann die grosse Erleichterung. Die Schlafzimmer sind mit einer Klimaanlage ausgestattet sodass ich sehr bald den Schalter betaetigt und einen ausgedehnten Schlaf genossen habe.
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Am Samstag habe ich nach und nach die internationalen Mitarbeiter kennengelernt. Beim Mittagessen den Country-Director und seine Frau. Gleich im Anschluss Joe und Rossa, die mich zum Schwimmen in den “German Club” mitgenommen haben und beim Ausgehen zum Abendessen dann Paul und Edwin. In Nordsudan arbeiten ca. 25 internationale Mitarbeiter die immer wieder in der Basis in Khartum Stopp machen und im “Erholungshaus” unterkommen. Somit laufen einem staendig sehr interessante Kollegen ueber den Weg. Am Sonntag dann der erste Arbeitstag, der – genauso wie die naechsten Tage – von vielen Briefings gepraegt war. Dabei habe ich gleich mal ca. zehn der nationalen Mitarbeiter kennengelernt (Logistiker, Fahrer, Verwalter, Waechter, Arzt). Sehr nette und sympathische Kollegen, von denen jeder nicht weniger als zwei Mal “Welcome in Sudan” gesagt hat.
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Ich konnte auch schon drei Einheiten Arabisch-Unterricht geniessen. Bisher ist zwar wenig haengen geblieben, aber das aendert sich hoffentlich bald. Die einheimischen Kollegen sind dabei sehr hilfsbereit. Dank eines sehr guten sozialen Miteinanders im Team hatten wir gleich in den ersten Tagen so viel Unternommen, dass mir das Ganze bisher wie Urlaub vorkommt (Schwimmen, Joggen, Filmabend beim Goethe-Institut, Ausgehen …). Aber die Zeiten werden sich sicherlich bald aendern. Nach aktuellen Planungen werde ich am 12. Mai nach Darfur rausfliegen.



Mit zwei Kollegen vor dem Buero- und Teamhaus.

Der Staub laesst vermuten, dass die Autos schon seit Monaten dastehen. Aber diese Staubschicht hat sich innerhalb einer Nacht enwickelt!

Die unmitterlbare Nachbarschaft mit dem Erholungshaus vorne rechts, in dem ich gerade unterkomme.

Donnerstag, 23. April 2009

Humanitaere Hilfe in Darfur

Es ist mal wieder soweit, dass ich für einen längeren Zeitraum Deutschland verlassen werde. Bei der christlichen schweizer humanitären Hilfsorganisation www.medair.org habe ich einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Ende Februar '09 entstand der erste Kontakt, Ende März '09 habe ich eine abenteuerliche Orientierungswoche in Holland mitgemacht und mittlerweile wurden auch die restlichen Feinheiten geklärt. Mein erster Einsatz führt mich in der Funktion des Logistik-Managers in den Sudan nach West-Darfur. Ich freue mich darauf im Rahmen meiner Qualifikation und meinen Interessen einen Beitrag in diesem humanitären Katastrophengebiet leisten zu können, wohlwissend, dass es eine ganz besondere Herausforderung wird und ich u.a. furchtbare Realitäten zu verarbeiten haben werde.

Mir ist es ein Anliegen, trotz schwerer Arbeitsbedingungen, möglichen gesundheitlichen Rückschlägen und vieler Hürden im Alltag einen guten, korrekten und ehrlichen Job zu machen und den Menschen in Liebe zu begegnen. Angesichts von Korruption und Gewalt ist das keine einfache Aufgabe. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Du mich durch Dein Gebet unterstützen könntest.

Infos zu Medair
Die humanitäre Hilfsorganisation wurde 1988 gegründet und hat mittlerweile 75 Mitarbeiter am Hauptsitz in Ecublens bei CH-Lausanne. Aktuell arbeiten ca. 120 internationale Mitarbeiter in Somalia, Afghanistan, Indonesien, DR Kongo, Sudan, Uganda und Madagaskar, also in Ländern in denen der Bevölkerung aufgrund von Naturkatastrophen, Kriegshandlungen, Dürren und Krankheiten die Lebensgrundlage entzogen wurde oder bedroht ist. Die Soforthilfe und der Wiederaufbau unterteilen sich in die Bereiche medizinische Leistungen, Wasserversorgung und sanitäre Einrichtungen sowie der Bau von Unterkünften und Infrastruktur. Um dieser Aufgabe nachzukommen stellen die internationalen Mitarbeiter ca. 1.000 nationale Mitarbeiter an.
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Der Konflikt in Darfur
2003 begann in Darfur der Aufstand zweier Rebellengruppen, die aus den „schwarzafrikanischen“ Volksgruppen in Darfur hervorgegangen sind und der sudanesischen Regierung vorwerfen, die Region zu vernachlässigen und die Bevölkerung zu unterdrücken. Im Gegenzug begann die Regierung einen Feldzug mit Luftbombardements und Bodenangriffen, durchgeführt von arabischen Milizen, den Dschandschawid. Diesen wird vorgeworfen schwere Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung begangen zu haben, wie Zerstörung von Dörfern, Massaker, Plünderungen und Vergewaltigungen. 2004 sprachen die Vereinten Nationen von der „schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt“. Die andauernden Kampfhandlungen brachten 250.000 Tote und knapp 3 Mio. Flüchtlinge mit sich. Seitens der sudanesischen Regierung wird von lediglich 10.000 Todesopfern gesprochen. Quelle: Wikipedia.de

Zum weiterlesen/schauen
Fotostrecke „Das Leiden der Flüchtlinge“ mit Text
asda
Video „Obama sorgt sich um Darfur“
asda
Homepage einer deutsche Hilfsorganisation mit Buchempfehlungen und weiteren Links
asda
Living Darfur - Musikvideo von Mattafix
asda
DVD – Darfur now