Dienstag, 9. Juni 2009

Humanitaere Hilfe und Logistik

Morgenstimmung in El Geneina (West Darfur)

“Und was genau ist Deine Aufgabe dort?” Die Antwort auf diese Frage ist zu Hause immer recht vage ausgefallen, da ich es selber nicht ganz genau wusste. Eine Arbeitsplatzbeschreibung gibt schliesslich keinen ganzheitlichen Eindruck von dem was einen erwartet. Es bleibt immer noch ein Restrisiko. Aber nach fuenf Wochen bin ich schlauer. Es ist manchmal sehr herausfordernd, es ist manchmal chaotisch, aber es macht auch Spass (wenn man das angesichts einer humanitaeren Katastrophe sagen darf)!


Ich versuche mal etwas weiter auszuholen, es aber gleichzeitig sehr einfach zu erklaeren. Aufgrund von eigenen Untersuchungen oder fremden Quellen entwerfen Hilforganisationen einen detaillierten Plan fuer Hilfsmassnahmen in Katastrophengebieten. Dieser Plan enthaelt konkrete Ziele, ein Budget und ist zeitlich beschraenkt. Die klassischen Eigenschaften eines Projektes. Weil die Ziele aber ohne finanzielle Mittel nicht realisiert werden koennen wird institutionelle Spendern die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Hilfsmassnahmen vorgestellt (z.B. der EU, der UN, einzelnen Regierungen oder anderen NGOs). Hier in Darfur hat Medair es sich zur Aufgabe gemacht zum einen in den Bereichen Wasser, Sanitaer und Hygiene und zum anderen im Bereich Gesundheitsversorgung zu helfen.


Der erste Bereich wird von einem kanadischen Ingenieur geleitet. Er muss dafuer sorgen, dass die Ziele erreicht werden, wie z.B. eine bestimmte Anzahl von Brunnen bzw. Wassertuerme in bestimmten Binnenfluechtlingslagern bereitzustellen oder Hygieneschulungen mit einer bestimmten Anzahl von Binnenfluechtlingen durchzufuehren. Eine amerikanische Kollegin deren akademischer Hintergrund das oeffentliche Gesundheitswesen ist, leitet den Bereich Gesundheitsversorgung. Die Ziele in ihrem Bereich sehen unter anderem die Unterstuetzung von Kliniken in Form von Schulungen und Versorgung mit Ausruestung und Medizin vor, was mit einer Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium vor Ort einhergeht.


Und jetzt kommt die Logistik und meine Wenigkeit ins Spiel. Die Abteilung Logistik und die Abteilung Administration & Finanzen sollen die anderen Bereiche bei Ihrer Zielerfuellung unterstuetzen. Wenn der kanadische Kollege z.B. 100 Sack Zement, 30 Meter Rohrleitungen und einen Strom-Generator an einem bestimmten Tag und Ort benoetigt, dann sorgen wir dafuer, dass die Materialien besorgt und dorthin transportiert werden. Wenn seine Leute irgendwo eine Hygieneschulung durchfuehren, buchen wir die Tickets fuer den Helkopter Flug und bringen sie rechtzeitig zum Flughafen. Fuer den Bereich Gesundheitswesen transportieren wir vor allem Medizin, aber auch die ein oder anderen medizinischen Geraete, die oft von UNICEF oder der Weltgesundheitsorganisation zur Verfuegung gestellt werden. In diesen Faellen sind wir stark direkt an der Zielerfuellung beteiligt.


Es gibt aber auch noch sehr viele indirekte Aufgaben. Der Fuhrpark (z.Zt. zehn Fahrzeuge) sowie mehrere Grundstuecke und Gebaeude (Buero, Unterkunft, Lager, Werkstatt) muessen verwaltet, instandgehalten und bewacht werden. Weil eine sichere Strom- und Wasserversorgung nicht gewaehrleistet ist, muessen die Generatoren mit Sprit und und unsere Wassertanks mit Wasser versorgt werden. Neben meinen drei Logistikern sorgen zehn Fahrer, zwei Mechaniker und ca. 20 Guards dafuer, dass es an nichts fehlt.


Nach zehn Tagen Ueberschneidung mit meinem Vorgaenger hat dieser sich in den Urlaub verabschiedet. In den letzten zwei Wochen hatte ich versucht, all diese Aufgaben zu managen. In dieser Zeit fuehlte ich mich mehr an einen Feuerwehrmann und weniger an einen Logistik-Manager erinnert. Nicht ich kontrollierte die Vorgaenge, sondern die Vorgaenge kontrollierten mich. Auf einmal faellt das Licht im Lager der Pharmazie aus und es muss schnellstens ein Elektriker engagiert werden. Dann bricht die Internetverbindung zusammen und ich haenge stundenlang mit dem Kollegen aus Khartum am Telefon um Hilfe zu bekommen. Auf einmal faellt ein Fahrzeug aus und es muessen unerwartet Teile besorgt werden. Aufgrund eines Ueberfalls auf einen Heli fallen Fluege aus und wir muessen einige Buchungen ueberdenken. Der Generator im Teamhaus gibt den Geist auf und wir muessen einen Mechaniker finden der ihn schnellstmoeglich repariert, da die Restenergie in der Batterie bald verbraucht ist und daraufhin die Lebensmittel im Kuehlschrank verderben.


Na ja, das ist gluecklicherweise nicht alles auf einmal passiert aber es haelt einen ganz schoen am Laufen und der Feierabend um 17 Uhr ist nur selten zu schaffen. In der arabischen Welt faengt die Woche am Sonntag an. Dafuer haben wir auch schon am Freitag frei. Samstags vormittags haben wir eine interne Besprechung innerhalb der internationalen Mitarbeiter. Nachmittags gehts dann meistens noch mal ins Buero um Liegengebliebenes zu erledigen. Samstags bin ich aber spaetestens um 17:30 Uhr auf dem Mitarbeitergelaende der Welthungerhilfe. Dort gibt es naemlich einen Swimming-Pool und ein Beachvolleyball-Platz. Angesichts der internationalen Leute, der exotischen Temperaturen, der entspannten Stimmung und der Bob Marley Musik, die aus einer Huette schepperte, kam ich mir dort beim ersten Mal fuer eine Moment vor wie in einem Backpacker-Hostel.



Die Kollegen warten auf den Heli, um wieder nach El Geneina zurueckgeflogen zu werden, nachdem sie sich in Foro Baranga ein Bild von der medizinischen Versorgung gemacht haben. Bei diesem Trip war ich ausnahmsweise dabei, um zwei Grundstuecke zu inspizieren die als Basis dienen koennten.


Logistik extrem!


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