Samstag, 30. Juli 2011

Bye bye Africa! (Mai 2009 bis Mai 2011)

Und auf einmal sind zwei Jahre vorbei, zwei geniale Jahre, gefüllt mit viel Arbeit, Abenteuer, Erfahrung, Gefahr, Begegnungen, Überraschungen, Freude, Angst, Frust, Erschöpfung, Erfüllung, Stress und Hilflosigkeit. Zum Abschluss ein paar Gedanken und Stories zu diesen Begriffen.


Arbeit: am Ende des Tages ist immer noch viel zu tun, wie immer, aber irgendwann mal muss man aufhören um für den nächsten Chaos Tag einigermaßen fit zu sein.

Abenteuer: der Mechaniker hat kein Problem damit, neben einer Benzintonne und Benzinlache eine Zigarette zu rauchen. Viele abenteuerliche Reisen per Jeep, Boot und Flugzeugen.

Erfahrung: Afrika ist anders und die europäische Denke steht dort eher im Weg als das sie hilft. Kreativität und Flexibilität sind wichtiger als Systematik und Standardisierung. Straßennamen gibt es nicht und Feiertage werden oft erst am Vortag ausgerufen. Afrikanische Logik ist ungleich Europäische Logik.

Gefahr: Es gehört zur Natur der Sache dass in Bürgerkriegsgebieten eine hohe Präsenz von Waffen vorhanden ist, die auch in die Hände von Kleinkriminellen gelangen. Das Kidnapping-Risiko war – vor allem in Darfur – sehr hoch. Im Laufe entwickelt man einen zynischen Humor um mit dieser Gefahr umzugehen. Eines Nachts wurde ich von zwei Eindringlingen geweckt und zur Herausgabe von Wertgegenständen aufgefordert. Sie hatten Maschinengewehre und ich lediglich meine Boxershorts, also habe ich kooperiert. (weiter siehe Angst)

Begegnungen: Es gibt internationale und nationale Kollegen. Aus dieser Zeit geht ein enorm gewachsener Freundeskreis hervor und einige Freunde werde ich ganz bestimmt wieder treffen. Eine bestimmte englische Kollegin werde ich vermutlich nie mehr aus den Augen verlieren.

Überraschungen: Man stellt einen Plan auf aber nichts funktioniert und die spätere Planversion 7 hat mit dem ursprünglichen Plan nicht mehr viel zu tun. Andererseits steht man manchmal vor einem Problem und denkt, oh oh, wie kriegen wir das hin und zwei Minuten später hat ein einheimischer Kollege das Problem bereits gelöst.

Freude: Die Einheimischen Kollegen sind ziemlich entspannt und zufrieden, was mich beeindruckt. Sie sind auch sehr daran interessiert an Schulungen und Trainings teilzunehmen. Das gelernte dann selber umzusetzen und Verbesserungen einzuleiten konnte ich nicht oft beobachten, aber wenn ich so etwas sah, war meine Freude natürlich groß.

Angst: Ja, ich muss zugeben das ich Angst hatte und später wie ein frierender Hund gezittert habe, als ich eines Nachts im Juli 2009 in Darfur zwei Typen mit Maschinengewehren aufgeweckten und mich dazu aufforderten aus dem Zimmer zu kommen.

Frust: Man wird den Alltag dort nur bis zu einem gewissen Grad kontrollieren und managen können. Letztendlich muss man aber ständig reagieren (fire fighting) und hat die Dinge dort unter den Gegebenheiten nie im Griff. Man braucht gerade in der Logistik eine hohe Frustrationstoleranz. Längst nicht alles funktioniert reibungslos. Auf einmal fällt der Stromgenerator aus, die Internetverbindung streikt und der Landcruiser hat aufgegeben oder der Sprit ist ausgegangen. Viele Beschwerden landen bei uns, und das ärgerliche daran ist, wir können diese Beschwerden nicht weiterleiten. „Wave and smile“ wurde mein Slogan, mit dem ich mich über Wasser hielt.

Erschöpfung: Am Anfang ist man etwas übermotiviert und dazu bereit jeden kleinen extra Job zu erledigen. Im Laufe der Zeit lernt man aber, besser mit seinen Kräften umzugehen und „Notfälle“ richtig einzuordnen. Nach 4 Monaten war ich zum ersten Mal wieder zu Hause und habe besorgte Kommentare bezüglich meiner physikalischen Erscheinung wahrgenommen, was nicht nur an meiner neu eingeführten Glatze lag.

Erfüllung: Die zwei Jahre mit Medair waren genau das richtige zum richtigen Zeitpunkt. Im Januar 2009 habe ich mein BWL Studium beendet und die Jobaussichten waren aufgrund der globalen Finanzkrise nicht rosig. In dieser Zeit bin ich „zufällig“ Medair begegnet und lediglich 9 Wochen danach war ich in Darfur. Auch wenn es nicht geplant war, war es genau das Richtige!

Stress: Es gehört zur Natur der Nothilfe dass schnell agiert werden muss auch wenn die Informationsversorgung bescheiden und Lösungen teuer sind. Das Arbeitstempo ist phasenweise sehr hoch. Das Stromgenerator macht lärm, es ist heiß, das Telefon klingelt und die Verbindung ist schlecht, ein Kollege skyped dass er dringend ein Ersatzteil braucht während ein Handwerker an meinem Schreibtisch steht um Anweisungen entgegenzunehmen. Glücklicherweise ist allerdings nicht jeder Tag so.

Hilflosigkeit: Pläne kann man aufstellen, allerdings werden sie immer wieder verworfen und umgestaltet. Manchmal geht dann nichts mehr und auf einmal dann doch wieder.


Jetzt bin ich wieder in Deutschland, zurück in der „normalen“ westlichen Welt, in meiner Heimat. Die zwei Jahre in Afrika waren ein Privileg für mich auf die ich mit Dankbarkeit zurückblicke. Genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn es ungeplant war. Medair ist eine professionelle Hilfsorganisation in der man ein herzliches Miteinander erleben kann und in der christliche Werte gelebt werden. Mittlerweile bin ich erfolgreich in der Logistik in der deutschen Wirtschaft untergekommen. Ich freue mich darauf meine Kompetenzen in der Logistik auszubauen und in eine etwas geregeltere Lebensphase zu starten.


Im Rinderlager mit "einer" englischen Kollegin.

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