Freitag, 15. Januar 2010

Solidaritaet

Regelmaessig sind hier an Abenden Schuesse zu hoeren. An Wochenenden handelt es sich dabei meistens um „feierliche Schuesse“, die bei Hochzeiten abgefeuert werden. Da kommt/kam es schon mal vor, dass man eine Kugel im Gelaende findet. Aufgrund dieser bleihaltigen Luft, haben wir einen sogenannten „Safe-Room“. Dieser ist gar nicht so sicher, wie er sich anhoert, allerdings hat er ein verstaerktes Dach, wodurch moegliche vom himmel fallende kleine Geschosse abgefangen werden koennen. Wenn es uns also zu bleihaltig wird, suchen wir diesen Raum auf. Da ich selbst noch keine Kugeln gefunden und auch nichts von Querschlaegern gehoert habe, konnte ich die Sinnhaftigkeit und das gelegentliche besorgte Aufsuchen dieses Raums nicht ganz nachvollziehen.

Mittlerweile denke ich anders darueber. Eine normale Alltagszene hier in El Geneina. Ein Vater haelt sich am Abend im Haus auf, waehrend seine Kinder auf der Veranda spielen und fernsehen. Ploetzlich kommt das Kind weinend ins Haus gelaufen, waehrend es sich die Hand an die blutige Stirn haelt. Es sieht nicht sehr schlimm aus, und es wird vermutet, dass vielleicht ein Stein geworfen wurde und die Wunde verursacht hat. Als sie am naechsten Tag den Doktor aufsuchen und die Roentgenbilder betrachten, sind sie entsetzt. Es laesst sich ganz klar erkennen, dass sich eine Gewehrkugel im Kopf des Sohnes befindet. Eine aeusserst heikle Angelegenheit. Ein solch spezifischer Fall kann hier in El Geneina nicht behandelt werden. Also wurde moeglichst schnell ein Flug-Ticket gebucht und ein Spezialist in Khartoum aufgesucht. Da es keine Krankenversicherung gibt, kann ein solcher Fall schnell den finanziellen Ruin fuer eine Familie bedeuten. Schon bald war klar, dass dieser Eingriff das zehnfache seines Monatsgehalt kosten wuerde.

Auf dem Roentgenbild laesst ganz klar eine Gewehrkugel erkennen.

Und an dieser Stelle beeindruckt mich, wie stark die Solidaritaet untereinander ist. Die Arbeitskollegen hier haben Besprechungen einberufen, um zu diskutieren, wie sie dem Kollegen helfen koennen. Letztendlich haben sie Geld zusammengelegt, grosszuegig zusammengelegt (einzelne haben bis zu einem Drittel ihres Gehalts beigetragen) und somit die Operation ermoeglicht. Waehrend der OP ist letztendlich entschieden worden, die Kugel nicht zu entfernen sondern abzuwarten.

In einer Gesellschaft, in der die Sozialsysteme weniger gut entwickelt sind, gibt es andere Wege, um Betroffenen bei individuellen Schicksalsschlaegen zu helfen. Es ist erstaunlich, wie stark der Zusammenhalt unter den Kollegen ist. Fast regelmaessig wird im Buero Geld gesammelt, um Kollegen zu helfen.

Eine meiner Lieblingszenen die sich vermutlich taeglich und ueberall auf dem Kontinent Afrika abspielt. Kinder die mit einem ausgedienten Reifen spielen und ihn vor sich herrollend die Strasse hoch und runterrennen. Es geht auch ohne X-Box und Nintendo.

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